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Selbsthilfe: Hypogonadismus ist selten, sollte aber frühzeitig behandelt werden!

von redaktion

Die Selbsthilfeinitiative zu Hormonellen und Stoffwechselerkrankungen sensibilisiert angesichts des oftmals unerkannten Hormonmangels durch Störungen der Gonaden (menschliche Geschlechtsorgane) oder übergeordneter Systeme im Gehirn (Hypophyse, Hypothalamus) für eine frühzeitige Erkennung des sogenannten „Hypogonadismus“, der mit erheblichen Entwicklungsstörungen, kognitiven Beeinträchtigungen, unzureichende Funktion der Hoden oder Eierstöcke mit Libidoverlust bis hin zur Impotenz, Wachstumsstörungen oder sonstigen Folgen eines etwaigen Östrogen- beziehungsweise Testosteronmangels (wie Diabetes, Osteoporose, psychischen Leiden, Muskelschwäche…) einhergehen kann.

Allein von einem primären Hypogonadismus aufgrund des Klinefelter-Syndroms (Chromosomenanomalie 47xxy) sind in Deutschland unter 1000 Jungen etwa zwei betroffen. Trotzdem werden selbst bei auffallender Symptomatik nur allzu selten diagnostische Maßnahmen in Anspruch genommen, obwohl eine anschließende Behandlung sehr viele Komplikationen abmildern könnte und therapeutisch behebbar erscheinen lassen. Diese Auffassung vertritt zumindest der ebenfalls vom Hypogonadismus betroffene Gruppenleiter Dennis Riehle (Konstanz), der mit diesem Aufruf gerade Eltern und Jugendliche, aber auch Ärzte und Psychotherapeuten ermutigen will, mit dem Thema offen umzugehen und Unterstützung zu suchen.

Menschen mit einem Klinefelter-Syndrom zeigen mehr oder weniger stark ausgeprägte Anzeichen eines Hypogonadismus, also einer Minderfunktion der endokrinen Keimdrüsen – wobei hierbei vor allem eine Gonadeninsuffizienz im Sinne der unzureichenden Ausbildung und Aktivität der männlichen Geschlechtsorgane gemeint ist. Aufgrund der genetischen Anomalie sind zumeist die Hoden unterdurchschnittlich entwickelt oder sie fehlen – und produzieren dadurch nicht nur weniger oder qualitativ eingeschränkte Spermien. Vor allem die unzureichende Hormonproduktion führt zu erheblichen Einschränkungen und Folgeerkrankungen, die einer intensiven Diagnostik, Behandlung und fachärztlichen Verlaufskontrolle bedürfen. Generell können auch Frauen von einem Hypogonadismus betroffen sein, wenngleich dies deutlich seltener vorkommt und die Ursache dann in verschiedenen Faktoren einer unzureichenden Arbeit der Eierstöcke zu suchen ist.

Menschen mit einer chromosomalen Veränderung nach 47xxy (Klinefelter) weisen die typischen Symptome eines hypergonadotropen (primären) Hypogonadismus auf, welcher letztlich in der ungenügenden Produktion von männlichen Geschlechtshormonen bei einer vorliegenden Schädigung oder mangelnden Ausprägung der sogenannten „Leydig“-Zellen seinen Ausgang findet. Vermindert ist in jedem Fall die Konzentration des Testosterons, allerdings können die Wachstumshormone in manchen Fällen normwertig sein und daher weniger Anzeichen zeigen als bei gleichzeitig auftretendem Gonadotropinmangel. Bei Frauen kann das Turner-Syndrom zu gegensätzlichen Erscheinungen führen, wenn eine fehlende Ovulation und eine zu geringe Ausschüttung von Progesteron und Östrogen vorliegen und damit zu einer Vermännlichung beitragen. In beiden Konstellationen liegt die Störung also nicht in den übergeordneten Zentren des Gehirns, die die Hormonproduktion steuern und ankurbeln, sondern in den Geschlechtsorganen selbst – weil sie aufgrund der Anomalie im Genom nicht vollständig ausgebildet wurden oder gar gänzlich ausgeblieben sind.

Liegt der Ausgang dagegen in der Hirnanhangdrüse – beispielsweise aufgrund von einem gutartigen Hypophysentumor (Adenom), einer Schädigung durch äußere Einflüsse oder zerebrale Blutungen, Entzündungen oder idiopathischer (unbekannter) Gründe –, wird von dort eine ungenügende Stimulation der Hoden betrieben. Denn die Hypophyse ist dann nicht mehr in der Lage, die regulierenden Hormone FSH und LH auszuschütten, die wiederum die Gonaden zur Testosteron- und Wachstumshormonproduktion antreiben. Bei der Frau führt dieser Zusammenhang zu einer Absenkung von Progesteron und Prolaktin, sodass es zum Ausbleiben der Regelblutung kommt. Hierbei können eine Schwangerschaft sowie eine Hypothyreose (Unterfunktion der Schilddrüse) verstärkend wirken. Bei Männern wird dagegen eine Feminisierung beobachtet, die mit entsprechender Symptomatik einhergeht. Der hypogonadotrope Hypogonadismus ist „sekundär“, auch „Hypopituitarismus“ genannt.

Wird die Ursache dagegen im Hypothalamus – also einem Teil des Zwischenhirns – gesehen, werden durch die dortige Störung (die zumeist ähnliche Auslöser wie jene bei der Hypophyseninsuffizienz aufweist) weniger „Releasing-Hormone“ (GnRH, GHRH, THR, CHR) gebildet, welche wiederum notwendig sind, um damit die Hirnanhangdrüse entsprechend zur Arbeit zu ermutigen. Dieser Hypogonadismus wird schließlich als „tertiär“ angesehen. Latenter Hypogonadismus ist bei Übergewicht, psychischen Erkrankungen, Eisenüberladung, dem „metabolischen Syndrom“, chronischen Entzündungen sowie Medikamenten denkbar.

Alle Formen des Hypogonadismus führen zu einheitlichen Beschwerden: Durch die mangelnde Produktion an Wachstumshormonen kann es zu geistigen und körperlichen Entwicklungsverzögerungen kommen. Oftmals sind Pubertät und Reifung verspätet oder bleiben vollständig aus. Kognitive Leistungsdefizite (Lernschwäche, Konzentrationsprobleme, Einschränkungen beim Lesen und Schreiben usw.) sind möglich, die Intelligenz ist in der Regel aber nicht gemindert. Es werden nicht selten ein Hodenhochstand und eine Harnröhrenfehlmündung beobachtet. Gleichzeitig ist die Körpergröße minimal überdurchschnittlich, während sich dafür die Wachstumsfugen nicht rechtzeitig schließen. Die ungenügende Ausschüttung von Testosteron führt vor allem zu einer abnehmenden Knochendichte (Osteopenie), die langfristig zu einer Osteoporose fortschreiten kann – welche nicht zuletzt in einem oftmals zu beobachtenden Vitamin D-Mangel und einer Hyperkalzämie ihre Ursache hat.

Antrieb und affektive Schwingungsfähigkeit sind oftmals gemindert, wodurch sich eine Anfälligkeit für depressive Verstimmungen begründen lässt. Erschöpfungssyndrome treten gehäuft auf, die Muskelmasse ist vermindert, eine Fettansammlung im Hüftenbereich wird gefördert. Überdies ist die Ausprägung einer Gynäkomastie (männliche Brust) vermehrt möglich. Schlussendlich treten verschiedene Stoffwechselerkrankungen wie Adipositas und Diabetes mellitus bei einem vorliegenden Hypogonadismus statistisch öfter auf. Der Haarwuchs ist vermindert, gleichzeitig liegt eine gesenkte Libido vor, Spermien finden sich im Ejakulat in geringer Zahl. Es kommt zu Unfruchtbarkeit, bei Frauen sind eine Minderentwicklung des Uterus und Sterilität denkbar.

Diagnostisch lassen sich die Auslöser des Hypogonadismus durch eine humangenetische Analyse (beispielsweise auf das Klinefelter-Syndrom) und eine umfassende endokrinologische Bestimmung des Hormonstatus recht gut ausmachen. Zumeist erfolgt in erster Linie eine Hormonsubstitution. Es wird also Testosteron in Form von Pflastern, Salben oder Spritzen verabreicht. Zudem sind auch bei Männern mit einem Hypogonadismus eine regelmäßige gynäkologische Kontrolle der Brust sowie bei beiden Geschlechtern wiederkehrende Untersuchungen beim Urologen angezeigt. Eine Bestimmung von Vitaminen und Mineralstoffen sollte wiederkehrend erfolgen, Knochendichtemessungen sind wichtig, gegebenenfalls kann eine neurologisch-psychiatrische Konsultation bei seelischen Beschwerden oder dem Auftreten von Entwicklungsstörungen sowie Autismus und ADHS oder epileptischen Anzeichen ratsam sein.

Psychotherapeutische und ergotherapeutische Maßnahmen können dann unterstützend wirken. Internistisch sollten regelmäßige Blutkontrollen erfolgen, unter anderem aufgrund eines erhöhten Thrombose-Risikos der Patienten und der Gefahr einer etwaigen Zuckerkrankheit. Zudem können operative Maßnahmen bei störender Brustvergrößerung oder Krebsgefahr in Betracht kommen. Zudem kann die reproduktive Medizin bei Unfruchtbarkeit helfen. Gerade betroffenen Kindern und Jugendlichen stehen im schulischen Bereich und in der späteren Ausbildung oder im Studium Nachteilsausgleiche zu. Zudem sollte eine mögliche Anerkennung einer (Schwer-)Behinderteneigenschaft mit dem Anspruch auf entsprechende Förderung, Entlastung und Vergünstigungen geprüft werden. Ergänzend werden eine Sozialberatung, familientherapeutische Interventionen und Selbsthilfegruppen als empfehlenswert gesehen.

Psychosoziale Beratung der Selbsthilfeinitiative ist für jeden zugänglich unter Mail: info@nospam-selbsthilfe-riehle.de.

Hinweis: Dieser Artikel ersetzt keine medizinische, heilkundliche oder therapeutische Betreuung.

Selbsthilfeinitiative Hormonelle und Stoffwechselstörungen, Leitung: Dennis Riehle, Martin-Schleyer-Str. 27, 78465 Konstanz, Mail: info@nospam-selbsthilfe-riehle.de.

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