07.08.2020 16:02
Aus Pandemie-Filmen lernen
Ein Doktorand der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus–Senftenberg (BTU) analysiert in einem fernsehwissenschaftlichen Forschungsprojekt, wie viel praktisch anwendbares Wissen in „Viren-Filmen“ steckt und welche konkreten Handlungsempfehlungen auch für die COVID-19-Pandemie daraus abgeleitet werden können.
In diesem Monat veröffentlichte Denis Newiak, Doktorand bei Prof. Dr. Christer Petersen vom Lehrstuhl Angewandte Medienwissenschaften, seine Monografie „Alles schon mal dagewesen“ im Schüren Verlag. Sie setzt sich mit der Frage auseinander, inwiefern die Wissensvorräte populärer Pandemie-Filme zur Bewältigung der realen Corona-Krise nutzbar gemacht werden könnten. Als Publikation mit akademischem Anspruch, die sich zugleich an Entscheidungstragende in Politik, Wirtschaft und Medizin sowie an ein allgemein interessiertes Publikum richtet, soll sie auch die praktischen Anwendungsfelder der Medienwissenschaften aufzeigen und dem Wissenstransfer zwischen Wissenschaft und Allgemeinheit dienen. Zudem zeigt sie, dass Forschende der BTU ihr Wissen schnell adaptieren und auf aktuelle gesellschaftlich relevante Fragen ausrichten können.
Im Film erlebt
Für das Buch analysierte Newiak unter anderem Filme wie „CONTAGION“, „I AM LEGEND“ und „THE LAST DAYS“ und beschäftigte sich mit Serien wie „FEAR THE WALKING DEAD“. Er thematisiert neben methodischen Potentialen der Filmanalyse konkrete, in Katastrophen-Filmen stetig wiederkehrende Elemente und leitet aus diesen Mustern Thesen für die Adaption in der realen Anwendung ab. Zu diesen sich wiederholenden Elementen gehören „ungehörte Propheten“, also Menschen, die nahende Krisen voraussagen, jedoch meist verlacht und nicht ernst genommen werden. Die hierbei verspielte Vorbereitungszeit ist ein weiteres wiederkehrendes Element. Neben „Krisen-Profiteuren“, Fake News, sogenannten Preppern und Ignoranten befasst sich die Monografie auch mit den psychischen Begleiterscheinungen einer Pandemie wie Demoralisierung, Hoffnungslosigkeit und Einsamkeit. Und dies sind mitnichten die Kennzeichen eines Science Fiction-Katastrophen-Films, sondern uns allen nach den Erfahrungen des COVID-19-bedingten Lockdows wohl bekannte Erscheinungen.
In der Realität angewandt
Newiak, der sich im Rahmen seines Promotionsprojekts an der BTU seit 2015 den Fragen der Einsamkeit in Film und Fernsehen widmet, leitet den Strategien der Protagonist*innen Handlungsempfehlungen ab, wie beispielsweise eine Isolation in Quarantäne gut überstanden werden kann. Dabei steht seine Arbeit nicht in Konkurrenz zu wissenschaftlichen Studien. Doch Newiak sieht einen gewissen Vorteil bei Filmen und Serien: Im Gegensatz zu wissenschaftlichen Studien schaffen bewegte Bilder ein intuitives Erlebnis, eine Identifikation mit Protagonist*innen und dem Geschehen.
Herr Newiak, was können wir aus dem Medium Film lernen?
D. N.: Filme und Fernsehserien dienen nicht nur als «Frühwarnsystem» für neuartige moderne Herausforderungen, sondern lassen sich auch als Ideenreservoir nutzen, wie mit diesen Phänomenen umgegangen werden kann.
In Filmen wird häufig übertrieben – Stichwort Zombi-Virus. Kann daraus überhaupt anwendbares Wissen destilliert werden?
D. N.: Natürlich spitzen populäre Kinofilme und Unterhaltungsserien komplexe gesellschaftliche Probleme zu und sind stets mit kritischer Distanz zu sehen. Zugleich aber treten erst in der Dramatisierung bestimmte unsichtbare und unausgesprochene soziale Probleme deutlich hervor und werden so überhaupt erst gesellschaftlich verhandelbar.
Welche konkreten Handlungsempfehlungen können Sie formulieren?
D. N.: Die Filme führen jedem Einzelnen vor, wie sich die fiktiven Figuren vor Ansteckungen zu schützen versuchen, wie sie ihren neuen Alltag durch feste Routinen organisieren und mit welchen potentiellen politischen Maßnahmen und Entwicklungen zu rechnen ist. Zudem können Politiker aus den populären Kunstformen lernen, wie bei einer Pandemie mit Fake News und Krisenprofiteuren umgegangen werden kann, welche Unterstützung das medizinisches Personal benötigt und welche Wirkung bestimmte Entscheidungen und Alltagseinschränkungen auf die Bevölkerung haben können.
Was erhoffen Sie sich mit der Publikation Ihrer Monografie?
D. N.: Das Buch soll helfen, die impliziten und expliziten Verhaltensangebote des Genres der Pandemie-Filme und -Serien so herauszudestillieren, dass sie für alle, die von der Corona-Krise betroffen sind und jetzt vernünftige Entscheidungen unter ungewissen Bedingungen fällen müssen, nutzbar werden. Es war mir wichtig, in dieser für uns alle besonders schwierigen Zeit den reichen Wissensschatz der Viren-Filme und -Serien nutzbar zu machen, damit wir als Gesellschaft die Corona-Krise besser meistern können und hoffentlich gestärkt aus ihr hervorgehen.
Fachkontakt:
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